Ein Konjunkturpaket für eine neue, innovative Wirtschaftspolitik

Was waren das noch Zeiten. Deutschland, einst kranker Mann Europas, über 5 Millionen Arbeitslose. Als die Bundesrepublik im Jahr 2011 dann weniger als drei Millionen Arbeitslose meldete, war das ein großer Moment. Das war ein Fortschritt. Einer, den die Corona-Pandemie zerstört. In den nächsten Monaten dürfte es wieder mehr als drei Millionen Arbeitslose geben.

Die Bundesregierung erwartet 2020 die schwerste Rezession der Nachkriegszeit: Das Bruttoinlandsprodukt soll um 6,3 Prozent einbrechen. Ökonomen und Verbände erwarten teilweise einen noch tieferen Einbruch. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag befürchtet nach seiner jüngster Prognose einen BIP-Rückgang von zehn Prozent im Gesamtjahr. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet mit einem Minus von 7,1 Prozent.

Die Bundesregierung mit Finanzminister Olaf Scholz hat schnell umfangreiche Hilfspakete auf den Weg gebracht, um die Zeit der wirtschaftlichen Beschränkungen mit Liquiditäts- und Einkommenshilfen für Unternehmen und Haushalte zu überbrücken. Dennoch wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach den bereits vorgenommenen und angekündigten weiteren Lockerungen durch Einkommensausfälle, eine erhöhte Unsicherheit und teils fortbestehende Einschränkungen belastet bleiben. Für viele Unternehmen besteht nach wie vor die Gefahr einer Insolvenz

Die Pandemie hat praktisch alle Länder erfasst und dürfte mit einem weltweiten Rückgang der Wirtschaftsleistung einhergehen. Um einer lang anhaltenden Rezession entgegenzuwirken und die konjunkturelle Erholung zu unterstützen, braucht es ein nachhaltiges, innovatives Konjunkturpaket.

Diese Maßnahmen müssen zielgenau dort Unterstützung leisten, wo diese nötig ist, und zugleich an den richtigen Stellen Anreize setzen, um gestärkt und noch stärker aus der Krise zu kommen. Daher müssen nun drei Maßnahmen ergriffen werden: den Konsum stärken, den Strukturwandel in der Wirtschaft sinnvoll gestalten und die Kommunen zu unterstützen.

Konsum ankurbeln

Der Konsum bricht ein. Er dürfte nach Einschätzung der Deutschen Bank alleine im zweiten Quartal um 20 Prozent absacken. Denn im April hatten die Menschen überhaupt keine Möglichkeiten zum Geld ausgeben und zogen sich aufgrund der sozialen Distanzierung in ihr Zuhause zurück. Anders als in der Finanzkrise entfällt diesmal der Konsum als wichtige Konjunkturstütze. 2009 ging der private Konsum um lediglich 0,1 Prozent zurück. Neben dem Konsum dürfte auch der Dienstleistungssektor die deutsche Wirtschaft schwer belasten. Nach Einschätzungen von Experten könnte der Dienstleistungssektor im zweiten Quartal um knapp 15 Prozent niedriger ausfallen als im ersten Quartal.

Der Konsum als Stütze der deutschen Wirtschaft muss daher angekurbelt werden. Der Mindestlohn muss zum 01.07.2020 auf 12 Euro erhöht werden. Der Entfall des Solidaritätszuschlages muss vorgezogen werden. Die Koalition in Berlin hat sich darauf verständigt, den Soli-Zuschlag ab 1.1.2021 für 90 Prozent der Steuerzahler komplett abzuschaffen. Konkret sollen Steuerpflichtige bis zu einem Jahresbruttoeinkommen von 74.000 Euro komplett entlastet werden. Wer weniger als 109.000 Euro brutto im Jahr verdient, wird teilweise entlastet. Wer mehr verdient, muss den kompletten Soli-Zuschlag bezahlen, der 5,5 Prozent der Einkommensteuer beträgt. Die Abschaffung des Soli für die breite Mitte der Bevölkerung ist gerecht. Außerdem ist es ökonomisch sinnvoll, weil wir damit die Binnennachfrage als zentrale Säule unseres Wirtschaftswachstums stärken.

Die Familien und die Kinder müssen mit der Einführung einer Kindergrundsicherung unterstützt werden. Im Mittelpunkt stehen zwei Säulen: Die eine besteht aus einer existenzsichernden Geldleistung, die andere beruht auf Investitionen in gute und gebührenfreie Bildung und Mobilität.

Innovationen fördern

Deutschland droht den Anschluss zu anderen Staaten zu verlieren. Noch verdienen wir mit unseren Industrieprodukten Geld, aber das Wirtschaftswachstum sank schon vor Corona. Schwarzmaler gibt es genug und sie machen uns nicht stärker. Wir erleben aktuell eine Beschleunigung von Globalisierung, eine Zunahme staatlicher Intervention und Abkehr von multilateralen Vereinbarungen. Auf diese Veränderungen muss Deutschland als erfolgreicher Industriestandort reagieren und neue Entwicklungen aktiv mitgestalten.

Für mich bedeutet der Strukturwandel die Sicherung und Stärkung des Industrie- und Gewerbestandortes, um auch zukünftigen Generationen die Wohlstandsfähigkeit zu sichern. Deutschland mit seinen vielfältigen Industrie- und Gewerbeunternehmen sowie der starken Hochschullandschaft gehören zu den stärksten Wirtschafts- und Forschungsstandorten der Welt. Aus diesen grundsätzlich guten Voraussetzungen ist der Strukturwandel auch mit Zukunftschancen verbunden.

Aber die Investitionsquote in Deutschland liegt derzeit bei 2,1% des BIP. Das reicht nicht aus. Unser Land liegt damit unterhalb des OECD- und EU-Durchschnitts und deutlich hinter vergleichbaren Staaten, wie Frankreich, Österreich oder den skandinavischen Ländern. Bei Straßen, Brücken und Schienen, unseren Schulen und öffentlichen Gebäuden, beim Klimaschutz, der Digitalisierung und wirtschaftlichen Innovationen: überall ist unsere Investitionsschwäche und damit auch unsere Innovationsschwäche sichtbar. Durch massive Investitionen in Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien müssen wir gemeinsam mit den europäischen Schlüsselindustrien nachhaltiger wirtschaften und produzieren. 250 Milliarden Euro für die nächsten 10 Jahren müssen wir Unternehmen und der Forschung zur Verfügung stellen. Treiben wir innovative Mobilität schneller voran und ebnen wir den Weg für eine konsequente Verkehrswende. Daher fordere ich neben einem Ausbau und gewaltige Investitionen in Busse und Bahnen, auch eine Innovationsprämie für klimafreundliche Autos. Denn die Autoindustrie ist gehört zur Schlüsselindustrie in Deutschland. Von Innovationen, die es in Deutschland bereits gibt, müssen wir schnellstens weiter erforschen und ausbauen, damit die heimische Industrie auch gegenüber großen Akteuren wie China wettbewerbsfähig bleibt.

Kommunen unterstützen

Die Corona-Krise hat massive Konsequenzen für die Haushalte unserer Städte und Gemeinden: auf der einen Seite brechen bei allen Steuerarten, vor allem der Gewerbesteuer, die Einnahmen weg, während gleichzeitig die Ausgaben für Sozialleistungen oder Gesundheitsschutz steigen. Aktuellen Berechnungen zufolge drohen den Kommunen Steuermindereinnahmen von rund 18 Milliarden Euro und zusätzliche Ausgaben von rund 6 Milliarden Euro. Denn geht es der Wirtschaft schlecht, brechen Gewerbesteuereinnahmen ein und die Kommunen müssen sparen. Das bedeutet konkret: Schwimmbäder, Jugendtreffs schießen, Neubau von Kitas und Radwegen werden unterlassen. Zudem bestand schon vor der Krise ein Investitionsrückstand von ca. 136 Mrd. EUR in den Städten und Gemeinden.

Demografischer Wandel, Digitalisierung und die Sicherung einer nachhaltigen Infrastruktur und gleichwertiger Lebensverhältnisse – die Liste der Herausforderungen für Kommunen und Kommunalwirtschaft ließe sich noch vergrößern. Es ist dringend, die Kommunen und die kommunalen Unternehmen in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Investitionen u. a. in Krankenhäuser, den Ausbau des Glasfasernetzes, Busse, Bahnen, Radwege, Schulen, Kitas, Schwimmbäder sowie den Wohnungsbau vornehmen zu können. Das sog. Kooperationsverbot, welches grundsätzliche direkte Investitionen verbietet, muss endgültig der Vergangenheit angehören. Der Bund soll die Möglichkeit bekommen dauerhaft in Kitas, Schulen, Horte und Berufsschulen investieren zu können. Zudem bedarf es eines kommunalen Zukunftsprogramms, welches in den nächsten zehn Jahren 100 Milliarden Euro für die Investitionen in kommunale Infrastruktur enthält.

Starke Schultern finanzieren den Neuaufbau

Es geht um ein faires und gerechtes Steuersystem. Die Corona-Pandemie hat doch gezeigt, wie wichtig Solidarität sei. Hoffentlich vergessen wir das nicht. Daher muss zum 01.01.2021 die Vermögenssteuer eingeführt werden. Wohlstand für viele, nicht nur Reichtum für wenige. Um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und die Spaltung unserer Gesellschaft zu stoppen, brauchen wir eine vernünftige Besteuerung sehr großer Vermögen. Es geht um Multimillionäre und Milliardäre. Diese können damit ihren Anteil am Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft leisten.

Deutschland kann aus der Gesundheits- und Wirtschaftskrise gestärkt herausgehen. Voraussetzung ist: jetzt innovative Investitionen für ein nachhaltiges Wirtschaften zu tätigen.

Bleibt gesund und munter!

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Daniel Rinkert
Mitglied des Deutschen Bundestages
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