In die Zukunft investieren
Seit über 10 Jahren bin ich Mitglied im Rat der Stadt Grevenbroich. Daher sage ich aus tiefster Überzeugung: Die Gemeinden und Städte in Deutschland bilden das Fundament von Demokratie, Rechtsstaat und gesellschaftlichen Zusammenhalts. Aus diesen Gründen ist es von enormer Bedeutung, starke Kommunen und Quartiere zu entwickeln. Zudem sind kommunale Unternehmen zentrale Infrastrukturdienstleister und wesentliche Impulsgeber für die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Stabilität in Deutschland und dessen Regionen. Als Arbeit- und Auftraggeber:innen sorgen sie für starke wirtschaftliche Effekte: Sie sichern Arbeitsplätze für eine Vielzahl von Menschen in Deutschland.
In den Kommunen spielt das Leben. Dort sieht man auch direkt, wenn sich der Staat aus der Verantwortung zurückziehen muss, weil das Geld fehlt. Kommunale Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden privatisiert. Schulen sind baufällig. Kindergartenkinder werden in Containern betreut. Straßen und Brücken sind marode. Schwimmbäder und Sporteinrichtungen werden geschlossen. Zudem fehlen Tausende bezahlbare Wohnungen. Auch im Rhein-Kreis Neuss müssen bis 2030 5.000 öffentlich-geförderte Wohnungen gebaut werden.
Demografischer Wandel, Digitalisierung und die Sicherung einer nachhaltigen Infrastruktur sowie gleichwertiger Lebensverhältnisse – die Liste der Herausforderungen für Kommunen und Kommunalwirtschaft ließe sich noch vergrößern. Es ist daher dringend notwendig, die Kommunen und die kommunalen Unternehmen in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Investitionen vornehmen zu können.
Transformation der Wirtschaft
Als erfolgreicher Industriestandort muss Deutschland auf Herausforderungen wie den Klimawandel und dessen Folgen reagieren, sich anpassen und neue Entwicklungen aktiv mitgestalten. Es bedarf einer Transformation der Wirtschaft in eine klimaneutrale und nachhaltige Industrie. Dazu sind gute Rahmenbedingungen für starke Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Innovationen dringend notwendig.
Die Strategie für den heutigen Weltmarkt ist die strategische Kooperation von Politik, Industrie und Forschung. Wir brauchen eine innovative Industrie- und Wirtschaftspolitik. Dazu sind eine aktive Politik und ein starker Staat erforderlich. Durch massive Investitionen in Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien wollen wir gemeinsam mit den europäischen Schlüsselindustrien nachhaltiger wirtschaften und produzieren. Wir müssen innovative Mobilität schneller vorantreiben und den Weg für eine konsequente Verkehrswende ebnen. Innovationen, die es in Deutschland bereits gibt, müssen wir schnellstens weiter erforschen und ausbauen. Weiterhin braucht es massive Investitionen in unsere Schieneninfrastruktur und in neue Züge.
Ein wesentlicher Aspekt einer erfolgreichen Transformation ist zudem die Planungsbeschleunigung. Langwierige Genehmigungs- und Gerichtsverfahren müssen verhindert werden. Viel zu häufig bremsen diese den Fortschritt und somit die Transformation unseres Landes aus. Dabei sind schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren zentrale Voraussetzungen für die Umsetzung der Ideen vor Ort, der Entstehung neuer Zukunftschancen und für die Ansiedlung innovativer Unternehmen. Auch für die Schaffung neuer, guter und tariflich abgesicherte Arbeitsplätze sowie zur Umsetzung der Energiewende und für den Bau der Revier-S-Bahn ist dies essenziell.
Der Rhein-Kreis Neuss nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Mit seinen vielfältigen Industrie- und Gewerbeunternehmen gehört die Region zu den stärksten Wirtschaftsstandorten Deutschlands. Es ist aber auch eine Region, die vor großen Herausforderungen steht und Antworten braucht. Denn wir steigen 2030 aus der Braunkohleverstromung aus. Das Thema Transformation beschäftigt die Menschen vor Ort daher tagtäglich. Damit diese auch gelingen kann, darf der technische Fortschritt nicht gebremst oder aufgehalten werden. Wir müssen den Fortschritt daher dringend ins Zentrum unseres Handelns stellen. Bund und Land müssen hierfür deshalb langfristige und auskömmliche Investitionen bereitstellen, die ein regionales Wirtschaftswachstum ermöglichen.
Chancen nutzen
Grevenbroich, Dormagen, Neuss und Rommerskirchen liegen im Kern des Rheinischen Braunkohlerevier. Wenn beachtet wird, dass unsere Region mit seinen vielfältigen Industrie- und Gewerbeunternehmen zu den stärksten Wirtschaftsstandorten Deutschlands gehört, können mit einem Strukturwandel auch Zukunftschancen verbunden werden. Denn es geht beim Strukturwandel nicht um den Abbau industrieller Strukturen, sondern um dessen Weiterentwicklung. Gute und tariflich abgesicherte Arbeitsplätze sollen so erhalten werden.
Wir begreifen den technischen Fortschritt nicht als Bedrohung, die man bremsen oder aufhalten soll. Wir wollen den Wandel – egal, ob durch Energiewende oder Digitalisierung getrieben – gestalten und somit weiterhin Produktionsstandort für Produkte und Dienstleistungen des 21. Jahrhunderts sein. Wir achten dabei darauf, dass jede und jeder eine Chance bekommt und niemand im Strukturwandel einfach ins Bergfreie fällt. Wir trennen nicht zwischen Old- und New-Economy, sondern arbeiten daran unsere Wertschöpfungsketten ins 21. Jahrhundert weiterzuführen. Uns ist dabei besonders wichtig, dass der aus technischem Fortschritt entstehende Wohlstand auch gerecht verteilt wird.
Das Rheinische Revier hat demnach die große Chance, den anstehenden Strukturwandel so zu gestalten, dass es sich ausgehend von seinen Stärken und Traditionen als die Energieregion der Zukunft positioniert. In dieser Region kann das Zusammenspiel einer nachhaltigen Energieerzeugung mit den Erfordernissen und Möglichkeiten einer energieintensiven Industrie erfolgreich erprobt und in großem Maßstab umgesetzt werden. Dazu bedarf es sowohl in der Forschung und Entwicklung, beim Rück- und Umbau von konventioneller Energieinfrastruktur, bei der Erschließung geeigneter Flächen, dem Umbau der Verkehrsinfrastruktur wie auch in den Produktionsprozessen und Geschäftsmodellen von Industriebetrieben großer Anstrengungen. Nicht zuletzt die Lebensqualität in der vom Tagebau geprägten Region erfordert bei der Rekultivierung, aber auch bei der Erschließung von Tourismuspotenzialen, der Bewahrung von Industriekultur und guten Wohn- und Siedlungsbedingungen für attraktive Dörfer und Städte umfassende Maßnahmen und abgestimmte Strategien der betroffenen Kommunen.
Historisch und strukturell ist das Ende der Braunkohleverstromung ein Bruch für die Region und die Menschen, die hier leben und in der Kohleverstromung über Generationen verwurzelt sind. Es ist aber auch eine große Chance, Forschung, Gewerbe, Industrie und Tourismus von morgen zu uns zu holen. Lasst uns gemeinsam die Chance ergreifen. Aus der Jahrhundertaufgabe, den Umbruch in Arbeit, Gesellschaft und Wirtschaft für die Vielen erfolgreich zu gestalten, möchte ich eine Jahrhundertchance machen.