Wir brauchen eine gemeinsame europäische Wirtschaftsregierung

Es droht die tiefste Rezession seit dem Krieg. Niemand, der heute Verantwortung trägt hat jemals etwas auch nur annähernd Vergleichbares erlebt. In ihrer Frühjahrsprognose geht die Bundesregierung davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr schrumpfen wird. Die Arbeitslosenquote könnte auf 5,9 Prozent steigen. Zuletzt lag sie bei 5,1 Prozent. Die Zahl der Kurzarbeiter könnte von zuletzt etwa 100.000 auf 2,4 Millionen wachsen. Die Wirtschaftskrise wird nach der IWF-Prognose in der Eurozone mit einem Einbruch von 7,5 Prozent ausfallen können. Das weltweite Bruttoinlandsprodukt schrumpft laut IWF-Schätzung im laufenden Jahr im Vergleich zu 2019 schätzungsweise um rund 3%. Zum Vergleich: in der Finanzkrise 2008/2009 betrug der Rückgang lediglich -0,1 %. Dies verdeutlicht das dramatische Ausmaß der gegenwärtigen Krisensituation

Bundeskanzler Schröder sagte einmal: „Wenn Krise ist, muss man Krise managen.“ Es geht im Kern darum, welche Rolle der Staat bei der Wertschöpfung, aber auch der sozialen Absicherung in einer Post-Corona-Wirtschaft spielen muss. Denn dass der Markt nicht von allein alles besser regelt, wurde deutlich. Aber auch der Staat alleine wird es nicht richten können. Wir brauchen eine enge Kooperation zwischen Staat, Wirtschaft und Forschung. Dazu will ich in den nächsten Wochen vier kurze Ideen für eine innovative Wirtschaftspolitik skizzieren. Heute nehme ich Europa in den Blick.

Gemeinsame EU-Wirtschaftsregierung

Es bedarf einer europäischen Wirtschaftsregierung mit eigenen wirtschaftspolitischen Kompetenzen unter voller Kontrolle eines europäischen Parlaments oder entsprechender Ausschüsse nationaler Parlamente. Eine solche Wirtschaftsregierung könnte mit eigenen Investitionen in ganz Europa sowohl die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimulieren als auch das gesamtwirtschaftliche Angebot modernisieren. Das schafft unmittelbar Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum, was insbesondere wegen den Folgen der Corona-Krise notwendig ist.

1000 Milliarden für Innovationen in Europa

Das europäische Wiederaufbauprogramm sollte 1000 Milliarden Euro umfassen und in den nächsten Haushalt der EU-Kommission eingebettet werden. So ein Programm muss Arbeit, Wirtschaft, Innovation, Bildung und Ökologie zusammendenken. Dies bietet die große Chance, die europäische Wirtschaft allumfassend anzukurbeln, Technologie und Fortschritt voranzubringen und somit neue Arbeitsplätze für die krisengeschüttelte EU zu schaffen. Dazu gehört die Entwicklung gemeinsamer europäischer Infrastruktur- und Industrieprojekte. Besonders in den Bereichen Gesundheit, Chemie, Stahl, Metall, Aluminium, Verkehr, Forschung, Künstliche Intelligenz und ökologische Innovationen muss Europa investieren.

Einheitliche Steuern

Als Schritt hin zu einer gemeinschaftlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik sollen die Körperschaftssteuern in der EU angeglichen werden. Basis dafür soll eine einheitliche Bemessungsgrundlage sein. Ein ruinöser Steuerwettbewerb soll mit der Einführung eines Mindeststeuersatzes unterbunden werden. Zudem benötigen wir in der EU eine einheitliche Besteuerung und einen einheitlichen Steuervollzug. Auch mit Instrumenten, um effektiv auf Steuervermeidung und Steuerbetrug reagieren zu können, muss eine EU-Wirtschaftsregierung ausgestattet sein. Unternehmen müssen dort ihre Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Digitalriesen wie Apple oder Google müssen endlich angemessen besteuert werden. Zudem brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer.

Innovative europäische Industriepolitik

Auch in der Industriepolitik bedarf es endlich eine vertiefte Kooperation in der EU. Airbus ist das Vorbild. Wir brauchen mehr gemeinsame Industrieprojekte. Damit Europa Vorreiter in der E-Mobilität, der Batteriezellenfertigung und weiteren neune Zukunftstechnologien wird. Was bei uns in Europa neu erdacht wird, muss auch in Europa zuerst in Serie gehen. Was hier erforscht wird, muss bei uns Anwendung finden. Wir brauchen eine enge Kooperation zwischen unserer staatlichen Forschung und der marktwirtschaftlichen Produktion. Jobs in ganz Deutschland, in Europa, die durch neue Ideen entstehen, bevor sie weltweit jemand anderes hat.

Es ist an der Zeit, dass Deutschland und die EU im 21. Jahrhundert ankommen. Zwischen China und den USA unter Trump braucht es eine kooperative Strategie zwischen Wirtschaft und Politik. Eine intensive Zusammenarbeit in der EU. Wir brauche eine innovative, europäische Wirtschaftsregierung.

Im nächsten Blog in 14 Tage befasse ich mich mit den Chancen für einen Wiederaufbau der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Bleibt gesund und munter!

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Daniel Rinkert
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